Antonio Congo by Christa Langer-Löw

Antonio Congo by Christa Langer-Löw

Autor:Christa Langer-Löw [Langer-Löw, Christa]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: R.G.Fischer Verlag
veröffentlicht: 2015-05-17T16:00:00+00:00


Vorsichtig öffnete Schlüter die Kontortür. Am Schreibpult vertieft stand sein Bruder Frans. Zunächst bemerkte er gar nicht, dass Schlüter und hinter ihm Antonio eingetreten waren. Doch dann blickte er fragend auf und drehte den Kopf zur Tür. Die Feder, die er noch gerade geführt hatte, flog im hohen Bogen über das Pult Schlüter vor die Füße.

»Ferdi! Ferdi!« Mit einem Satz sprang er in die weit geöffneten Arme seines Bruders.

Seit Bernhards Erkrankung arbeitete Frans jeden Tag hier, oftmals bis spät in die Nacht hinein. Nachmittags kam er von seinem Handelshaus am Kehrwieder, um dann das Kontor von Bernhard zu führen. Frans war nicht nur überglücklich, seinen jetzt noch einzigen Bruder gesund wieder zu sehen, sondern auch erleichtert, dass sich sein schon seit Monaten andauernder Arbeitseinsatz nun dem Ende nähern würde. Er war von Antonio sehr überrascht, aber hatte nichts dagegen, dass Ferdi ein schwarzes Kind aus Brasilien mitbrachte, sondern schien darüber sogar erfreut zu sein.

Die laute Wiedersehensfreude im Kontor blieb den Ohren des Buchhalters Kuckelkorn und des Schreibers Schmalkooke im hinteren Zimmer nicht verborgen. Zaghaft klopfte Kuckelkorn an die Kontortür. Schlüter öffnete sie und ließ die beiden und den Lehrjungen Hein zur Begrüßung eintreten.

Frans beauftragte Hein zum Kehrwieder zu laufen, um seiner Frau Amalie sowie auch den andern Familienmitgliedern, die nicht im Hause wohnten, Ferdis gesunde Heimkehr zu melden.

Mienke erschien mit wichtiger Miene in der offenstehenden Tür zur Diele.

»Herr Ferdi, Ihre Frau Mutter, Ihre Schwägerin Frau Johanna und die Kinder erwarten Sie und den Neger auf der Galerie. Auf der Galerie.«

Schlüter legte seinen Arm um Antonio. »Komm, unsere Familie will uns begrüßen.«

Mit hochrotem Kopf stand Berta neben der Treppe, hinter ihr die beiden Küchenmädchen Tibbeke und Gesche.

»Willkommen, Herr Schlüter, willkommen«, kam es wie aus einem Mund. Die drei knicksten tief.

»Ich danke für die nette Begrüßung und freue mich, euch wieder zu sehen.« Er wandte sich an Berta.

»Ich hoffe, du kochst heute was ganz Besonderes, denn das Essen auf dem Schiff war in den letzten Wochen abscheulich.«

»Gewiss, Herr Schlüter, ganz gewiss. Ich kenne doch Ihre Lieblingsspeisen.« Sie knickste noch einmal und schaute dabei etwas verlegen auf den Boden.

»Erlauben Sie mir noch eine Frage?«

»Nur heraus damit, Berta, was möchtest du wissen?«

Die Köchin zeigte auf Antonio.

»Was ist mit ihm, was isst er?«

»Alles, was auch wir essen, Berta. Antonio hat nur eine schwarze Haut, ansonsten unterscheidet er sich nicht von uns.«

»Dann ist es ja man gut«, antwortete sie erleichtert. Oben auf der Galerie erblickte Schlüter seine Mutter. Sie trug ein schwarzes Kleid. Neben ihr stand Johanna, Bernhards Witwe, ebenfalls ganz in schwarz gekleidet. Sie erschien Schlüter noch bleicher, als sie ohnehin schon immer gewesen war und noch schmaler. Zerbrechlich und durchscheinend wie zartes Chinaporzellan lagen ihre Hände auf dem weiten Rock. Dann folgten dem Alter nach ihre sechs Kinder. Den kleinen Hermann, den Schlüter heute zum ersten Mal sah, trug das Kindermädchen auf dem Arm. Langsam nahm er mit Antonio die tiefen Stufen der breiten Treppe. Frans folgte ihnen. Die vorletzte Stufe knarrte laut. Auch das war unverändert.

Seine Mutter streckte ihm beide Hände entgegen. »Ferdi, Ferdi, min lewe Jung.



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